Immer mal wieder fuhr Prominenz auf dem Weg von Emden nach Leerort durch Heisfelde. Darüber sind Reiseberichte[1] erhalten geblieben, die einen Blick auf die damaligen Verkehrsverhältnisse erlauben.
Man benutzte im Mittelalter den „Alten Weg“ durch den Hammrich. Erst nach 1600 n.Chr. ging es über die Geest. Der Reisende folgte, von Bollinghausen kommend, zunächst der „Heerstraße“, d.h. dem Verlauf der heutigen Heisfelder Straße und bog dann rechts ab in die Dorfstraße. Von dort ging, ritt oder fuhr man dann auf einer gegenüber heute etwas veränderten Wegführung nach Loga oder in Richtung Leerort.
Focko Ukena
Beginnen wir mit einer Vermutung, die nicht durch einen schriftlichen Reisebericht belegt ist:
Focko Ukena, streitbarer Kriegsmann, der um 1400 n.Chr. Häuptling von Leer war (gest. 1436 n.Chr.) und von der kleinen Burg aus Neermoor stammte, ist sicherlich oft den AltenWeg durch den Heisfelder Hammrich geritten, wenn er zu seiner Burg am heutigen Steinburgsgang in Leer wollte. Denn es war der einzige Landweg aus Richtung Emden nach Leer.
van der Molen
Der älteste Reisebericht[2], bei der eine Wegstrecke durch Heisfelde führte, stammt aus dem Jahr 1454 n.Chr., als der Bürgermeister van der Molen aus der Stadt Lüneburg wegen Streitigkeiten in der Stadt nach Rom reiste. Die Rückreise führte ihn über den Gotthard-Paß, Basel, den Rhein hinunter, mit dem Schiff nach Köln, über Deventer, Kampen, Groningen, Emden, Bremen und Lüneburg. Am 04.September 1454 fuhr er mit dem Schiff von Appingedam nach Emden. Hier blieb er bis zum 08.September und ritt am 09.September über Leer nach Stickhausen, wo er in einer Herberge übernachtete. Von hier aus fuhr er mit dem Schiffe nach Apen, während die Pferde durch eine Hilfsperson auf dem Heerwege dahin gebracht wurden. Der Grund für diese Maßnahme ist wohl in dem schlechten Zustand des Heerweges zu sehen.
Beamte des Bischofs
Vor der Reformation, um 1500, gehörte der Süden und der Westen der Grafschaft Ostfriesland zum Bistum Münster. Das erforderte Visitationsreisen. So waren hohe Beamte aus der Grundstücks- und Finanzverwaltung 1496[3] n.Chr. auch in Emden. Während dieser Zeit fand u.a. eine Synode in Leer statt, so dass man auch über Heisfelde dorthin reisen mußte.
Beamte des Bischofs
Bei einer weiteren Reise dieser Art um 1500[4] n.Chr. geht aus einem Kirchenverzeichnis die Reihenfolge der besuchten Kirchspiele hervor. Daraus lässt sich schließen, dass der bischöfliche Beamte die Alten Wege zwischen Emden und Leer benutzt hat.
Frederik Coenders van Helpen
Aus der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts ist ebenfalls ein interessantes Reisejournal erhalten geblieben. Der Junker Frederik Coenders van Helpen (das Geschlecht hat in der Geschichte Groningens eine besondere Bedeutung) war zu Pferde unterwegs. Er kam 1569[5] n.Chr. aus Mitteldeutschland zurück und zeichnete seinen Weg nach Norden genau auf. Dabei nennt er einige Zeiten, die für unseren Bereich mitgeteilt werden sollen:
Er nimmt den weg über Loga - Leer - Leerort („sehr starke Burg“) - Kloster Thedinga - Veenhusen - Neermoor = 1 Stunde = 12 km.
1573 n.Chr. war Coenders wieder in Ostfriesland. Hier gab er wieder eine Stunde Reitzeit für etwa die gleiche Strecke an.
Herzog Friedrich I. von Württhemberg-Teck
1592[6] n.Chr. fuhr Herzog Friedrich I. von Württhemberg-Teck mit der Reisekutsche durch den Heisfelder Hammrich. Er war auf der Reise nach England, um sich den Hosenbandorden zu holen. Es war eine Reise mit Hindernissen. Königin Elisabeth war nicht bereit, den Orden herauszurücken. Erst König Jacob I. erfüllte ihm schließlich seinen Wunsch. Wir wissen über die Reise und insbesondere die katastrophalen Wegeverhältnisse in unserem Raum so genau Bescheid, weil sein Kammersekretär darüber ein Reisetagebuch veröffentlichte. Unter anderem gerieten sie in einen Dorf bei Oldersum in einem Wirtshaus unter die Freibeuter. Auch darüber liegt eine dramatische Schilderung vor.
Graf Philipp von Hessen-Butzbach
he muß eben ut de Büx
1632[7] n.Chr. reiste Graf Philipp von Hessen-Butzbach nach Ostfriesland, um die Vermählung mit der Gräfin Christine Sophie in Aurich zu feiern. Mit dabei war der Arzt Georg Faber, dem wir schöne Reiseskizzen von der Fahrt verdanken. Im Reisebericht des jungvermählten gräflichen Ehepaares über die Wegstrecke von Emden nach Leer heißt es dazu:
„Nach 8 Uhr seind die fürstlichen und gräflichen Personen zur Gutschen (mit Kutschen) mit den Ihrigen allhier angekommen. Uf dieser Reise ist der fürstlich hessische Abgesandter underwegens in ziembliche Lebensgefahr geraten. Indeme er von der Gutschen abgestanden und ein wenig abwärts gegangen, ist er in einen Graben gefallen und wofern Herr Hofmeister Philippus Wilhelm von Lindau, ihn nicht sobalden ergriffen und neben andern herauser holfen, wäre er ertrunken.“
Wegezustand
1724 n.Chr. wird über den „Blanke Weg“ zwischen Bollinghausen und Neermoor berichtet. Wegen des morastigen Untergrundes ist es ungemein schwer, den Weg in einen brauchbaren Zustand zu setzen.
„Der Sandweg ist hier nicht zu halten und der Aufwand zu groß, an beiden Seiten Holz (zur Abstützung) zu schlagen.“
Die Techniker schlagen zwar eine Lösung vor. Aber der Fürst lehnt ab, weil er dort als Anlieger Grundbesitz hat und Nachteile für sich befürchtet.
Z.G. von Uffenbach
Um 1750[8] n.Chr. ist ein Reisebericht von Z.G. von Uffenbach überliefert. Er fuhr von Oldenburg über Apen - Holtgast - Detern - Stickhausen - Leer nach Emden und berichtet sehr ausführlich darüber. Von Leer nach Emden waren die Wegeverhältnisse jedoch so schlecht, dass er seine Kutsche verkaufte und mit dem Schiff weiterfuhr:
„Denn weil wir theils wegen des Wassers zu Lande nach Emden nicht kommen konnten …“
Gotthold Ephraim Lessing
1756[9] n.Chr. reiste der damals 27jährige Lessing als Gesellschafter des reichen Leipziger Kaufmannssohnes auf dem Weg nach Holland und England über Ostfriesland. Die Gesellschaft nutzte den Heerweg Leer - Emden, kam also auch durch Heisfelde.
Übrigens:
Lessing soll später einmal gesagt haben:
„Ob ich morgen leben werde, weiß ich freilich nicht.
Aber dass ich, wenn ich morgen lebe, Tee trinken werde, weiß ich gewiss."
Hebelius Potter
Einen ausführlichen Reisebericht (2 Bände) über Ostfriesland schrieb der holländische Prediger Hebelius Potter zur Zeit der napoleonischen Herrschaft. Sein Reiseweg führte ihn im März 1808 n.Chr. [10],[11] aus Holland kommend, auch in den Leeraner Bereich. Die Wegeverhältnisse waren so schlecht, dass er beschloß, ab Weener doch lieber mit einem Ruderboot nach Leerort zu reisen.
Um 1800 hatte die Familie von Rheden großen Grundbesitz in Bollinghausen und Heisfelde erworben und auch etwas für die Verkehrsverhältnisse getan. Hier eine Übersetzung des Berichtes von Potter über diesen Reiseabschnitt von Leer durch Heisfelde nach Bollinghausen, der ihn wieder positiver einstimmte:
„Mit nicht weniger Vergnügen besuchte ich nun auch, sobald es mir möglich und so kalt es auch war, alle meine früheren so geliebten Plätze: Leerort, den Plytenberg, den Weg nach Loga, Bollinghausen. Letzteren, so sauber und entzückend er schon bei meinem letzten Aufenthalt hier war, fand ich nun erstaunlich viel verändert und verbessert: Der Baron von Rheden, durch Kauf nun auch Eigner von Ländereien zwischen Bollinghausen und Leer (d.h. in Heisfelde) geworden, hat von einem Ort zum anderen einen sauberen Sandfußweg, mit schönen Bäumen bepflanzt, anlegen lassen („een schoon zandvoetpat, met fraai geboomte beplant, laaten anleggen“), welcher mit der Zeit ganz wunderschön werden dürfte, im Winter wie im Sommer …“.
In einer anderen Übersetzung heißt es:
„…
Karl Julius Weber
In einem vierbändigen Werk hat der Reiseschriftsteller Karl Julius Weber aus Württemberg unter dem Titel „Deutschland, oder Briefe eines in Deutschland lebenden Deutschen“ in den Jahren 1826 bis 1828[12] n.Chr. in Stuttgart seine Reiseeindrücke festgehalten und herausgegeben. Dabei befasste er sich im neunten Brief: „Ostfriesland und die Insel Norderney“ auf den Seiten 174 bis 188 mit Ostfriesland. Dort notiert er:
und eine halbe Stunde davon entfernt liegt Bollinghausen, der Park eines Herrn F von Rheden und Vergnügungsort der schönen Welt. In diesen Gegenden ist ein klein Gehölze so interessant als im Haag de Bosch.
Siehe dazu auch den folgenden Aufsatz: „Der lachende Philosoph und Bollinghausen.“
* * *
„Der lachende Philosoph“ [13]
schreibt in der Zeit zwischen 1826 und 1828 n.Chr.:
„Leer ist nach Embden die zweite Stadt Ostfrieslands mit 5500 Seelen, ein freundlicher offener Ort, nichts weniger als leer, lebhaft durch Handel und weit angenehmer als Aurich, denn dieses hat keinen Fluß, Leer aber die Leda, die wenigstens einen schönen Namen hat. Hier stand einst die Burg Focco Ukenas, des größten friesländ. Helden nächst Edzard, geschleift schon 1341 (?).
Die Poststraße nach Holland geht hier durch, und eine halbe Stunde davon entfernt liegt Bollinghausen, der Park eines Herrn F von Rheden und Vergnügungsort der schönen Welt. In diesen Gegenden ist ein klein Gehölze so interessant als im Haag de Bosch.
…
Die roten Häuser von Backsteinen, die steinernen Bänke und Bäume vor den Häusern, die große Reinlichkeit gefallen doppelt zu Leer, wenn man aus den Teufels=Mooren kommt - aber bald ermüdet das Holländische Allerlei, selbst die Boote der Saatländer (Saterländer) auf der Ems mit ihren roten Segeln, die vielleicht Cleopatra nicht schöner hatte, ob sie gleich Antonius verführten.
Von Leer sind zwey(?) Meilen nach der Neuschanz oder Holländischen Gränze, wo regelmäßig ein Treckschuit abgeht nach Gröningen.“
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Wer war „der lachende Philosoph“, der so über uns berichtete?
Es handelt sich zunächst einmal um einen Ausschnitt aus dem Artikel: „Reiseschriftsteller Karl Julius Weber aus Württemberg interviewte den Landssyndikus Tilemann Dortias Wiarda.“ In den Heimatbeilagen der örtlichen Presse wurde mehrfach darüber berichtet.
Hinrich Koch-Heidelberg kommentierte schon 1929 im „Deichwart“ auf sehr aufschlussreiche und unterhaltsame Weise den o.a. Reisebericht des „lachenden Philosophen“ - wie er auch genannt wurde - und stellt ihn der Öffentlichkeit vor, enthüllt sein Pseudonym.
Koch berichtet, dass sich hinter dem Decknamen ein Karl Julius Weber verbirgt. Dieser, 1767 im Hohenloheschen Städtchen Langenburg geboren, war ein weitgereister und sehr belesener freier Schriftsteller. Als er 1832 starb, hinterließ er eine Bibliothek mit mehr als 11.000 Bänden, die er auf seinen vielen Reisen angesammelt hatte. Schriftstellerisch trat er neben anderem mit seinem Hauptwerk „Demokritos, oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen“ hervor. Dieser Name blieb hängen.
In einem vierbändigen Werk hat er unter dem Titel „Deutschland, oder Briefe eines in Deutschland lebenden Deutschen“ in den Jahren 1826 bis 1828 in Stuttgart seine Reiseeindrücke festgehalten und herausgegeben. Dabei befasste er sich im neunten Brief: „Ostfriesland und die Insel Norderney“ auf den Seiten 174 bis 188 mit Ostfriesland.
Soweit, so gut. Wenn er aber in seinen Reiseberichten über die Landschaften, die er besuchte, doch nicht so gelästert hätte! Es traf so manchen gestandenen Ostfriesen hart, wenn sein Heimatland gelegentlich in Reiseberichten schon mal als das „deutsche Sibirien“ bezeichnet, die Bewohner als Hinterwäldler geschildert wurden. Hinrich Koch-Heidelberg meint zwar, die Ostfriesen würden mittlerweile gelassener damit umgehen. Der Ostfriese würde nicht mehr in hellen Zorn geraten,
„wenn ein sensationslüsterner Literat - vor zwei Jahren geschah dies ja auch wieder in einem großen südwestdeutschen Blatt - hahnebüchene ostfriesische Pikanterien in die Welt setzt. Längst ist weithin bekannt, dass Ostfriesland unter den deutschen Landschaften nicht gerade das Aschenputtel ist und das die Ostfriesen im Rate der Deutschen nicht auf der untersten Bank sitzen. Männer wie Arndt, Goethe und Bismarck sind des Lobes voll über Ostfriesland und die Ostfriesen gewesen, und das genügt.“ (Basta!).
Aber Koch erkennt an, dass der „lachende Philosoph“ trotz aller „Entgleisungen und Geschmacklosigkeiten recht Zutreffendes und durchaus Beachtenswertes“ bringt, ja, eine scharfe und klare Beobachtung, leichte und anschauliche Darstellung, originelle Auffassung und witzsprühende Bemerkungen, reiche Belesenheit und große Aufgeschlossenheit aus den Berichten sprächen. Wenn da doch nicht das affektierte und schwatzhafte wäre. Keckheit und Forschheit wären aber nun einmal die Leitsterne dieses Berichterstatters.
Es folgt dann die anfangs wiedergegebene Ostfrieslandbeschreibung des Reisenden, die - wie ich finde - für unsere Heimat gar nicht mal so nachteilig ausfällt. Und, wie man oben sieht, auch über Leer (und hier auch über Bollinghausen) recht interessante Einzelheiten enthällt.
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Hier endet zunächst die Reisebeschreibung durch die Jahrhunderte. Es kommt sicherlich mit der Zeit noch einiges hinzu. Das würde dann in einer neuen Auflage mit berücksichtigt werden.
Berend Schröder, Leer - Heisfelde
Literatur- und Quellenangaben siehe letzte Seite
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