1860 - 1865 Lehrer Christian Hermann Everts
Stand 18.08.2008
 
In dem unten abgedruckten Nekrolog (Nachruf. Verf.) im „Ostfriesischen Schulblatt“ stieß ich auf den Heisfelder Schullehrer Christian Hermann Everts, der am 17.04.1865[1] im Alter von nur 26 Jahren, 7 Monaten und 2 Tagen verstarb. Er wurde 1839 in Norden geboren, wo sein Vater Bonne Adolph Everts Schuhmachermeister war. Seine Mutter war Ebbe Janssen van Freeden.
Aus den Daten des Nachrufs lässt sich rekonstruieren, dass er bereits mit 16 (!) Jahren als Lehrergehilfe in Norden seine berufliche Laufbahn aufnahm. Er blieb dort etwa 6 Jahre. Mit etwa 21 Jahren ist Everts anschließend nach Heisfelde gewechselt und hat hier über 5 Jahre als verantwortlicher Schullehrer gewirkt.
Everts muß wohl ein guter Lehrer gewesen sein, der u.a. ungewöhnlich musikalisch war. Offenbar war er mitfühlend und hilfsbereit gegenüber seinen Schülern, besonders gegenüber den hilfsbedürftigen und lerneifrigen. Da er selbst aus finanziellen Gründen nicht die Möglichkeit zum Studieren gehabt hatte, wollte er wohl möglichst vielen seiner Schüler zu einer guten Lebenschance verhelfen.
Sein früher Tod muß wohl ziemlich tragisch gewesen sein. Zumindest deutet der Nachruf das an, ohne aber konkretes zu sagen.
 
 
Nekrolog [2]


"Der um Ostern des Jahres verstorbene Lehrer C.H. Everts zu Heisfelde stand erst im 27.Jahre seines Lebens und im 5. seiner Berufstätigkeit als selbstständiger Lehrer. Vordem bekleidete er 6 Jahre lang ein und dieselbe Gehülfenstelle in seiner Vaterstadt Norden. So kurz demnach auch sein Leben und Wirken gewesen, so glauben wir doch, dass der Verstorbene wohl verdient, dass ihm auch in diesem Blatte ein kleines Denkmal gesetzt werde, wie es im Herzen Mancher unter seinen früheren Collegen gewiß schon unerschütterlich dastehen wird.
Wir wollen die geehrten Leser nicht mit einer umständlichen Lebensbeschreibung ermüden; einige Hauptzüge werden genügen, ein deutliches Bild des früh Verewigten zu entwerfen.
Ungewöhnlich ernsten Sinnes und von Liebe zu den Wissenschaften erfüllt, ergriff unser Freund mit Begierde alles, was seinen Wissensdurst zu stillen versprach und ihm in seinem früh gewählten künftigen Lehrerberuf nützen konnte. Obgleich in dem Drängen der sich entwickelnden Kräfte seine Anlage und Liebe zur Musik bald die Oberhand gewann, in welcher Kunst er es in kurzer Zeit so weit brachte, dass die Aufmerksamkeit und Gunst von Sachverständigen sich auf ihn richtete, so wusste er dennoch diese vorherrschende Geistesrichtung in so weit zu zügeln, dass sie seine sonstige Ausbildung zum Lehrer nicht beeinträchtigte. Sich selbst überwinden, das verstand er und wenn es selbst dem Liebsten und Besten galt. Brachte er doch den sehnlichsten Wunsch, das Seminar zu besuchen, seiner kindlichen Liebe zum Opfer, als ihm die Befürchtung kam, den theuren Eltern möchten dadurch zu große Kosten erweckt werden!
Dem entsprechend war auch seine Liebe zu den ihm anvertrauten Kindern, sein gewissenhafter Eifer im Unterrichten. Er gab viele Privatstunden, aber wenige, die ihm Geld einbrachten; eingedenk des eigenen Lebenslaufes, ließ er sich immer gern bereit finden, jeden unentgeltlich zu unterrichten, wenn er nur Lernbegierde mitbrachte. Everts war fern von allem Eigennutze, aufrichtig und selbstverleugnend in der Freundschaft, so milde und versöhnlich gegen andre, als strenge und unerbittlich gegen sich selbst. Die verdiente Anerkennung hat ihm auch nicht gefehlt, und wenn er bei den letzten Wahlen in Norden und Leer mit auf der Sechs- und Dreizahl gestanden, so verdankte er dies allein seinem guten Rufe als Mensch und Lehrer; eigener Antrieb, eigene Überzeugungskraft hatte seine Partei geworben. Leider aber haben auch geschäftige Lästerzungen sich nicht gescheut, ihre giftigen Pfeile auf ihn zu richten, da sie sich an seinem glänzenden Rufe ärgerten. Die gehässigsten Erdichtungen und Verleumdungen mussten, als wäre sein letztes Leiden noch nicht schwer genug gewesen, ihm noch die letzten Augenblicke verbittern und das Herz vollends brechen. Möge Gott jenen Elenden vergeben, wie er, der nun nicht mehr ist, es gewiß auch gethan.
Die gebeugten Eltern, die nur Freude an ihm erlebt, wird der Schmerz seines Verlustes noch lange drücken; seine Schüler werden ihn noch lange vermissen; in der Brust manchen Freundes wird der Nachhall seines Gesanges und seiner Musik noch lange fortleben und immer neue Sehnsucht wecken. Möge der Hingeschiedene das, was er ahnte und ersehnte, erreicht haben, nunmehr den Harfenklängen einer besseren Welt lauschen, deren Harmonie kein Misston stört.
Bei seinem Begräbnisse betheiligten sich fast alle Lehrer der Umgegend, und Herr Pastor Warnke aus Leer hielt ihm eine Leichenpredigt über 2.Samuelis 1, 26: „Es ist mir leid um dich, mein Bruder Jonathan; ich habe große Freude und Wonne an dir gehabt; deine Liebe ist mir sonderlicher gewesen, denn Frauenliebe ist.“
Die Liedertafel „Orpheus“ zu Leer, deren Mitglied Everts war, sang an seinem Grabe vierstimmig den Choral: „Jesus meine Zuversicht!“
Friede seiner Asche!                                                               P."
 


[1] Hesse, Arnold: Ortssippenbuch Leer luth. Nr.3989 / 3988
[2] Ostfriesisches Schulblatt, V. Jahrgang. 1865. Seite 127/128